Einst ’verlängerte Werkbank‘, nun auf dem Weg zu Spitzenpositionen in der globalen Wirtschaft. Die Rolle Chinas in der Welt hat sich über die letzten Jahrzehnte stark verändert. Doch was bedeutet das für die Unternehmen in Deutschland und in der Region?
Von Vera Lang
Seit 2014 ist der Automobilzulieferer Hilite aus Marktheidenfeld Teil der AVICEM Gruppe, eine Tochter des chinesischen Staatskonzerns Aviation Industry Corporation of China (AVIC). Und erst jüngst stimmten die US-Behörden dem Kauf des Industrieroboterproduzenten KUKA durch den chinesischen Haushaltsgerätehersteller Midea zu. Es ist die bisher größte chinesische Firmenübernahme in Deutschland. Nur zwei Beispiele, die den Plan der chinesischen Regierung illustrieren, die Wirtschaft des Landes zu internationalisieren.
Chinas Vision für die Zukunft
Going Out heißt die Strategie, die helfen soll, China bis 2049 – 100 Jahre nach Gründung der Volksrepublik – zur global führenden Industrienation aufsteigen zu lassen. „Die chinesische Regierung arbeitet an einer Umorientierung des wirtschaftlichen Geschehens im Land“, sagt Kurt Treumann, Bereichsleiter International bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. „China will schon längst nicht mehr die Werkbank des Westens sein, sondern strebt insbesondere im Maschinenbau- und im Technologiesektor die Marktführerschaft an.“ Dazu soll auch die nationale Produktion und Innovation im Land gestärkt werden. Mit Made in China 2025 sieht die Führung in Peking vor, ausländische Technologieimporte nach und nach durch eigene Innovationen zu ersetzen.
Unterschiedliche Spielregeln erschweren Partnerschaften
224 Unternehmen aus dem IHK-Bezirk Mainfranken unterhalten geschäftliche Beziehungen mit China. Viele sind als Exporteure tätig, einige sogar als Produzenten vor Ort. „Die Entwicklung der Wirtschaft trägt natürlich dazu bei, dass der Wettbewerb sich zunehmend intensiviert. Gleichzeitig ist China aber auch ein riesiger Markt und bietet den Unternehmen viele Chancen“, so Treumann. Chinesische Unternehmen sind nicht nur Konkurrenten, sondern auch Partner im globalen Wettbewerb und auf globalen Märkten. „Gerade Deutschland weiß, dass das Zusammenwachsen der Weltwirtschaft für die Unternehmen eigentlich von Vorteil ist“, erklärt Doris Fischer, Professorin für China Business and Economics an der Universität Würzburg. „Allerdings merken die Unternehmen auch, dass die Spielregeln in China und Deutschland eben unterschiedlich sind und man nicht weiß, ob sie sich jemals vollständig angleichen werden.“
Insbesondere bei Themen wie der IT-Sicherheit, dem Datenschutz oder dem Schutz geistigen Eigentums müssten China und Deutschland an gemeinsamen Standards und Normen arbeiten. So fordert es der Deutsche Industrie- und Handelskammertag in seiner Einschätzung zum aktuellen Stand der deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Vor allem für Mittelständler kann der Verlust von Know-How sonst schnell existenzbedrohend werden.
Verständnis für Kultur, Wirtschaft und Sprache
Oft sind die Schwierigkeiten deutscher Unternehmen, die erstmals wirtschaftliche Kontakte nach China aufbauen, aber viel grundlegenderer Natur. Viele Chinesen sprechen nur wenig oder gar kein Englisch, nicht selten entstehen so Kommunikationsprobleme. Für die Unternehmen ist es daher oft sinnvoll, jemanden auf der eigenen Seite zu haben, der des Chinesischen mächtig ist und gleichzeitig auch als zwischenmenschlicher Übersetzer fungieren kann. „Geschäftsverhandlungen werden in China oft ganz anders geführt. Man überzeugt anders und Nachverhandlungen auch nach Vertragsabschluss sind nicht unüblich“, erklärt Treumann.

Die Entwicklungen des chinesischen Marktes und die Ziele der Regierung zeigen aber auch, wie wichtig es für die Unternehmen hierzulande ist, China als Volkswirtschaft zu verstehen. „Eigentlich brauchen wir in deutschen Unternehmen schon lange Fachkräfte, die wissen, wie die chinesische Wirtschaft funktioniert, wie chinesische Unternehmen funktionieren und mit welchen Strategien wie umgegangen werden muss“, sagt Fischer.
Chinesische Netzwerkpflege
Dass auch kulturelle Unterschiede zu Problemen führen können, weiß Treumann aus seiner Berufspraxis und langjährigen China-Erfahrung. „Während Deutsche zum Beispiel ihre Zeit auf Geschäftsreisen oft knapp kalkulieren und dementsprechend die Flüge buchen, wollen viele Chinesen ihre potentiellen Partner hingegen sehr genau kennen lernen“, so der Bereichsleiter. Ein Missverständnis, dass sich vermeiden lässt, wenn man weiß, wie viel Wert in China auf Beziehungen und Netzwerkpflege gelegt wird.
„Guanxi“ heißt dieses Netzwerk im Chinesischen, wörtlich übersetzt bedeutet das so viel wie „Beziehung“. „Personen, zu denen man keine Guanxi hat, sind einem wirklich fremd, man hat zu ihnen keine Beziehung. Insofern versucht man immer, zu seinem Umfeld Guanxi aufzubauen“, erklärt Fischer. Grundlage für Guanxi sind immer gemeinsame Bezugspunkte: War man auf der gleichen Schule oder kommt man aus dem gleichen Ort? Hat man für die gleiche Firma gearbeitet?
Umso schwerer ist es für Firmen, die bislang keine etablierten Verbindungen nach China haben, ein solches Netzwerk aufzubauen. „Die Pflege von Guanxi ist eine Kunst“, sagt Fischer. Sie folge vielen Regeln, die nirgendwo festgeschrieben seien. „Oft kommt man ohne Guanxi einfach nicht weiter. Diese Regeln zu lernen und Guanxi aufzubauen kann also auch für Unternehmen sehr wichtig sein.“
China als Chance und Risiko
Mit interkulturellen Veranstaltungen will die IHK viele solcher Probleme, vor denen die Firmen bei ihren geschäftlichen Verbindungen nach China stehen, von vorneherein vermeiden. „Oft erkennen Firmen nicht, dass obwohl ihre Geschäfte in China gut laufen, in anderen Bereichen noch Nachbesserungsbedarf besteht“, so Treumann. Und auch wenn der chinesische Markt grundsätzlich eine Chance für viele Unternehmen auch aus der Region darstelle, könne man längst nicht jedem Unternehmen uneingeschränkt empfehlen, in China aktiv zu werden. „Manchmal fehlt das nötige Know-How, um den chinesischen Markt zu bestreiten“. Grundsätzlich müssten die Unternehmen aber überlegen, wie sie mit chinesischer Konkurrenz oder den potentiellen chinesischen Partnern umgehen, sagt auch Fischer. „Man kann die Potentiale nutzen oder sich vor der Entwicklung fürchten. In jedem Fall braucht man aber eine China-Strategie um langfristig erfolgreich zu sein.“
© Main-Magazin 2017 (Fotos: Vera Lang)